kulturflachrat

Ein dringend der Einführung in den allgemeinen Sprachgebrauch harrender neologischer Begriff, bezeichnet er doch eine neue Berufsgruppe, welcher in einer potentiellen Zukunft, die uns noch dräuen mag, eine nichts weniger als großartige Wichtigkeit zukommt. Ein Begriff der zudem gleichzeitig als Berufs- und Berufungsbezeichnung dienlich ist.

Dem Kulturflachrat fällt nämlich in dieser definitiv goldenen Zukunft die verantwortungsvolle Aufgabe zu, nicht nur darüber zu wachen, dass die durch die noch zu schaffende Kulturflachrate erwarteten Milliardeneinnahmen der Kulturflachrat-Verwertungsgesellschaft(en) weise und gerecht verteilt werden, der Kulturflachrat entscheidet auch darüber, wer und warum und wann überhaupt Empfangsberechtigter ist oder sein kann oder eben nicht.

Der Kulturflachrat kann dabei sowohl als Einzelperson als auch als Kommission, Ausschuss oder Gremium auftreten, der, die oder das sich der allgemeinen Wohlfahrt von Kunst und Gesellschaft in Zeiten der totalen Netzfreiheit verpflichtet fühlt. Sie sind die einsamen Hüter der Kulturflachrate, die in grün-piratesken Zukunftsentwürfen schon - oh Wunder! - springlebendig sind noch bevor sie das Licht der Welt erblickt haben.

Kulturflachräte müssen auf Bundes-, Landes-, Landkreis- wie Gemeindeebene bei den jeweiligen Kulturbürokratien angesiedelt, zunächst ganz grundsätzlich darüber befinden, welchem Kunst und Kreativbereich - Musik, Film, Buch, Fotografie etc. - auf Grund welcher Kriterien welche Gelder zustehen.

Schon hier zeigt sich die extreme Begabung und Sensibilität des Kulturflachrates nicht zuletzt darin, dass er genau zu balancieren weiß, wie sich tiefere Qualitätskriterien ins vernünftige Verhältnis zu Reichweiten setzen lassen. Womit verhindert wird, dass eine Überbewertung von Spitzenkunst im Vergleich zu Massenware stattfindet. Oder ganz genau umgekehrt. Je nach dem. Oder halt andersrum.

Der Kulturflachrat tritt zusammen oder - so er Einzelperson ist - tritt er einfach auf, um sein exorbitantes Wissen über die Bereiche Linguistik, bildende und darstellende Kunst, Musiktheorie, Filmwissenschaft und Literatur mit der Präzision eines Neurochirurgen anzuwenden, um die zur Verteilung anstehenden Gelder sozial gerecht und demokratisch den jeweiligen Künstlern zuzuweisen.

Dazu gehört, dass die entsprechend mandatisierten Ausschüsse und Gremien der Kulturflachratsbehörde im Quartal tagen, um festzulegen, wer als Künstler grundsätzlich zugelassen wird. Dabei gelten die Maßgaben und Techniken der bereits hinlänglich bekannten Casting-Shows. Wobei bestimmten, eng definierten Gruppen, positiv konnotierte Herausforderungsquoten zugewiesen werden, die deren Anteile an der Ausschüttung teilweise erheblich steigern können.

Wer also sowohl die ethnischen, geschlechtsspezifischen, sozialen, sexuellen wie durch kindheitliche Traumata - etwa die Benachteiligung beim Verteilen von Überraschungseiern in der Kita - verursachten Voraussetzungen mitbringt, kann auch durch relative Kleinkunst - z.B. das Ausmalen von Briefmarken mit Wachsstiften - unter Umständen einen positiven Flachratenzuteilungskoeffizienten erreichen, der dem eines Verfassers einer Roman-Trilogie in nichts nachstehen muss.

Damit würde zudem endlich ein die Kulturgeschichte endemisch anhaftender Nachteil vollständig ausgeglichen, das nämlich ohne eigenes Zutun oder Schuld erworbene Minderbegabung zu völlig ungerechter Minderbedeutung eines derart betroffenen Künstlers und der Einschätzung seiner Kunst und seiner Stellung in der Kultur ganz im Allgemeinen führt.

Natürlich trifft der Kulturflachrat sowohl als Gruppierung wie als Einzelperson seine Entscheidungen im Geiste der Weisheit und Gerechtigkeit, völlig unbeeinflusst von anderen Kriterien, wie etwa dem, dass er über die Kulturhaltigkeit von Kunstwerken seiner Tochter oder Ehefrau oder Nichte zu befinden hat. Es versteht sich also von selbst, dass der Kulturflachrat für seine Aufgabe entsprechend entlohnt werden muss, schon um sich seine Objektivität zu erhalten. Die Kulturflachrats-Inkassobehörde wird hier einen eigenen Etat für die vielen tausend Kulturflachräte und deren geschulte Mitarbeiter auf allen Verwaltungsebenen bereitstellen.

Die damit einhergehenden organisatorischen Probleme lassen sich lösen aus Veränderungen, Fusion und konsequenten Weiterentwicklung bestehender Modelle wie etwa der GEZ oder der allgemeinen Gesundheits- und Verwaltungsbürokratie, die leuchtende Beispiele für echte Bürgernähe und rasende Effizienz abgeben.

Die Zukunft der Kulturproduktion und der Kreativwirtschaft kann also nichts anders als wunderbar werden. Der Hunne sitzt demgemäß, erwartungsfroh und zugeneigter denn je, auf dem Pony der Kunstgeschichte und bewundert mit offenem Mund die vor ihm sich breitende Kultursteppe.